Darum geht‘s
- Wie würde die Welt aussehen, wenn man den Open-Source-Gedanken auf die Wirtschaft überträgt?
- Die Vision einer "Open Society" berücksichtigt auch das mögliche Spektrum, die Wissensweitergabe und technischen Möglichkeiten
- Die virtuelle Vernetzung macht eine offene Gesellschaft umso möglicher - und die Vorteile sind offensichtlich
- Es besteht jedoch die Gefahr der Erwartung, dass frei = kostenlos ist, was nicht stimmt und nicht funktioniert
- Deshalb braucht auch eine Open Source Society klare Regeln, damit alle gleichermaßen profitieren - sowie Verständnis und Bereitschaft für den Gedanken
Zumindest in der Software-Szene etabliert sich die Vorstellung einer transparenten Welt seit vielen Jahren immer fester. Die Open Source Philosophie bricht den Kern dieser Idee auf eigene Art und Weise herunter. Sie überzeugt mit einer offenen Arbeitsweise, welche die Gemeinschaft verbindet und alle Mitwirkenden an den Erfolgen teilhaben lässt. Die Idee ist, dass alle an einem Strang ziehen und transparent ihre Projekte umsetzen. Aber was wäre, wenn dieses System auf die Wirtschaft übertragen werden würde? Ich habe mich mit dieser Frage einmal eingehend beschäftigt und der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Sind Sie bereit, mir bei diesem utopischen Entwurf zu folgen?
Vorreiter des Open Everything
Vom Open Everything träumten bereits die beiden Open Source-Pioniere Mark Surman und David Eaves. Ihre Vorstellungen, soziale, wirtschaftliche und technische Strukturen zu öffnen und für alle zugänglich zu machen, verbreiteten sie auf zahlreichen Events und Podiumsdiskussionen. Nicht selten sorgten sie mit ihren Ansichten für Diskussionen und Aufsehen.
Dennoch trat ihre Vision eine Welle los. Der Amerikaner Robert Steele erweiterte den Gedanken einer offenen Gemeinschaft, die unter dem Namen „Open Source Intelligence“ (OSI) fingierte. Hierbei stützte er sich auf drei Säulen:
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Open Spectrum
beinhaltete die Bereiche der Grenzen, Kommunikation, Netzwerke, Regierung oder Kultur. -
Open Source Intelligence
setzte vorrangig auf Schulen, Bibliotheken und Institutionen, die Wissen vermitteln sollten. -
Open Source Software
bediente die Wirtschaft, digitale Umgebungen und ihre Hardware.
Durch die Verbindung dieser drei Hauptaspekte ergaben sich die Rahmenbedingungen einer Open Society, die von den positiven Einflüssen der einzelnen Bereiche profitiert.
Die Theorie besagt, das die grundsätzliche Transparenz automatisch für ein faires Zusammenspiel sorgt. Eine Überlegung, die zum jetzigen Zeitpunkt einer fantastischen Utopie gleicht.
Das Fundament für Open Everything ist vorhanden
Eine Welt ohne Besitzansprüche macht die Ressourcen der Gesellschaft zugänglicher. Innovationen, die unserer Umwelt helfen könnten, die Umstrukturierung und Organisation von natürlichen Rohstoffen oder Entwicklungen, die wirtschaftliche Strukturen transparenter gestalten, wären denkbar.
Das offene Arbeiten sichert ein schnelles Vorankommen und könnte lange Diskussionen und Wartephasen deutlich verkürzen. Statt komplizierter Entscheidungsrunden läge der Fokus auf der Bewertung von Bedürfnissen und Notwendigkeiten. Hier wäre den Menschen geholfen, die von diesen Entwicklungen wirklich profitieren würden. Wirtschaftlicher Profit auf Konzernebene und Monopolstellungen würden stetig nachlassen – und vielleicht irgendwann sogar ganz verschwinden.
Der Zugang zu Wissen, Literatur und Recherchemöglichkeiten ließe sich im digitalen Zeitalter deutlich einfacher regeln als je zuvor. Die Option eines offenen Miteinanders liegt dank virtueller Vernetzung schon vor uns. Allerdings mangelt es an der Ausführung.
Schmaler Grat der Kontrollinstanz
Die Idee der freien Welt, in der Wissen und Infos untereinander geteilt werden, stößt schon bei der Definition der Begriffe „offen“ und „frei“ an seine Grenzen. Oftmals werden die Adjektive mit der Bedeutung von „kostenlos“ und „unerschöpflich“ gleichgesetzt. Ein Trugschluss, der das Konzept ins Wanken bringt.
Es darf nicht darum gehen, die Ressourcen kostenfrei und damit unter Wert preiszugeben. Offen sollte in diesem Fall bedeuten, eine Gesellschaft zu errichten, in der uneingeschränkter Zugang möglich ist. Das prinzipielle Zurückhalten von Allgemeingut oder Wissen wird in der Theorie des „Open Everything“ ausgehebelt, aber nicht der Wert. Daran schließt sich wiederum die Frage: Wer kontrolliert diesen schmalen Grat?
Freiheiten mit Bedacht einsetzen
Auch wenn es paradox klingt: Ganz ohne Regeln geht es nicht. Sie sind als Kontrollinstanzen unvermeidbar, um Ressourcen auf eine gewisse Weise zu regulieren. Der Wunsch nach Innovationen und Ideen treibt das schnelle Aufbrauchen von benötigten Mitteln zweifellos voran. Nur mit Richtlinien kann kontrolliert investiert und der Erfindergeist jedoch weiter gestillt werden.
Wer seine Freiheiten mit Bedacht einsetzt, kann von nachhaltigem Einsatz länger profitieren. Das Verständnis dafür muss in jedem Menschen selbst reifen. Ein Punkt, der in unserer Gesellschaft noch viel Arbeit vor sich hat.
Zusammenfassung
Im kleinen Rahmen ist der Open Source-Gedanke ein Konzept, das überwiegend Vorteile aufzeigt. Die Ausweitung auf eine ganze Gesellschaft stellt die Idee jedoch vor Herausforderungen, die einen langen Atem benötigen. Es braucht angepasste Nutzungsbedingungen und Regeln, wodurch freie Verfügbarkeiten Realität werden könnten. Eine radikale Herangehensweise nach dem Motto „Ganz oder gar nicht“ kann in diesem Gedankenspiel nicht erfolgen. Regeln sind Teil des Lebens und Teil eines Projektes, die es einzuhalten gilt. Die Adaption des grundlegenden Open Source-Gedankens auf eine größere Leinwand ist machbar, doch muss der Mittelweg für eine einwandfreie Umsetzung noch gefunden werden.